RTL-Reiseexperte Ralf Benkö hakt nach

Ein Jahr nach Thomas-Cook-Pleite: Urlauber warten immer noch auf ihr Geld

Dennis Hacks zeigt die eingereichten Papiere
Dennis Hacks, Logistiker aus Moers bei Duisburg, wartet immer noch auf 1.110 Euro.
privat

Betroffene wenden sich an RTL

„Bundesregierung lässt Thomas Cook Kunden nicht im Regen stehen“: So hieß es am 11.12.2019 in einer Pressemitteilung. Doch seitdem wartet offenbar die Mehrzahl der Betroffenen immer noch auf ihr Geld - tausende Euro für viele Familien, die sie in Corona-Zeiten gut gebrauchen könnten. Warum dauert die Auszahlung der Kundengelder nach der Thomas Cook-Pleite im Herbst 2019 so lange? Die Bundesregierung versucht, die Mängel der Insolvenzabsicherung der ausgefallenen Pauschalreisen auszugleichen. Mit einem Jahr „im Regen stehen“ hätten viele Betroffene, die sich jetzt an RTL gewandt haben, aber nicht gerechnet.

Anspruchsvolle Antragsstellung für Urlauber

Dennis Hacks, Logistiker aus Moers bei Duisburg, wartet immer noch auf 1.110 Euro und berichtet, die ganze Anmeldung der Ansprüche beim Bund sei so kompliziert: „meine Schwiegermutter hätte nach den ersten vier Seiten der Formulare aufgegeben“. Der 36jährige hatte zusammen mit seiner Lebensgefährtin eine Reise nach Marokko gebucht, einen Teilbetrag von der Insolvenzversicherung des Veranstalters zurückbekommen, den Restbetrag vom Bund gefordert. Anfang November 2020 bekam er nun eine Nachfrage zu seinem Erstattungsantrag, irgendetwas sei nicht lesbar. Nachdem er die Papiere neu geschickt hat, hat er den Eindruck, die Prüfung fange wieder von vorne an.

Screenshot Homepage Bundesregierung
Am 11. Dezember 2019 machte die Bunderegierung den Thomas Cook-Kunden dieses Versprechen.
Screenshot/bundesregierung.de

2.113 Euro fehlen in der Familien-Kasse

Auch Sascha Scholz aus dem niedersächsischen Cloppenburg wartet noch immer auf 2.113 Euro, viel Geld für den 32-jährigen Gebäudereiniger. Mit seiner Frau und den beiden Kindern wollte er 2019 den Herbsturlaub in einem türkischen Familienhotel verbringen, hatten lange dafür gespart. Und sie dachten, ihr Geld sei abgesichert. Dass der Sicherungsschein für Pauschalreisen so „löchrig“ ist, dass er für eine Pleite eines großen Veranstalters nicht ausreicht, daran hätten sie nie gedacht.

Doch der Bund hatte vor Jahren abweichend von den EU Regeln eine geringere Absicherung in Deutschland akzeptiert, maximal 110 Millionen Euro, zu wenig für Pleiten großer Reiseveranstalter. Nach Einschätzung von Rechtsexperten habe die Bundesregierung die Deckungslücke deshalb zu verantworten. 17,5 Prozent des Schadens für die durch die Thomas Cook Insolvenz ausgefallene Reise habe die Insolvenzversicherung vor drei Monaten beglichen, sagt Sascha Scholz. Für den Erstattungsantrag beim Bund gäbe es eine Online-Ampel, die er immer wieder aufruft. Die Farben der Anzeige würden wechseln, das Geld sei bisher aber nicht gekommen.

Familie Scholz
Familie Scholz wollte im Herbst 2019 Urlaub in der Türkei machen.
privat
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Kann es nochmal ein Jahr dauern?

Dabei gibt es einige Urlauber, die vom zuständigen Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bereits ausgezahlt wurden. Auf RTL-Anfrage erklärt das Ministerium, es gebe rund 120.000 Anträge. Etwa 38.000 davon seien bis zum 8.12.2020 ausgezahlt worden, fast 55 Millionen Euro. Mit bis zu 220 Millionen Euro Kosten rechnet der Bund insgesamt für die Entschädigungen. Vor etwas mehr als einem halben Jahr hat die Bearbeitung der Anträge in Berlin begonnen. Ginge es in dieser Geschwindigkeit weiter, könnte es noch eineinhalb Jahre dauern, bis die letzten Urlauber ihr Geld bekommen. Doch das Ministerium signalisiert, sie rechneten damit, dass es jetzt deutlich schneller gehe, weil durch den zwischenzeitlichen Annahmeschluss nun keine neuen Anträge hinzukämen. Der Sprecher des Ministeriums, Dr. Marius Leber, dazu: "Der Gesamtabschluss der Auszahlung der freiwilligen Ausgleichszahlung der Bundesregierung wird im Laufe des Jahres 2021 erwartet."

Urlauber Hans Strassegger aus Österreich erklärt, er habe wegen der offenen Summe von 2.314 Euro für seine ausgefallene Teneriffa-Reise schon Mails an den Bund geschickt, auf die er aber keine Antwort bekommen habe. Er spricht von „Stillschweigen“ auf Bundesseite und auch er bittet RTL-Reiseexperten Ralf Benkö um Hilfe.

Hans Strassegger sitzt am Tisch.
Auch Hans Strassegger aus Österreich wartet auf sein Geld.
privat

Erstattungsampel springt von Grün zurück auf Rot

Dennis Hacks ärgert sich. Einige Urlauber, die deutlich nach ihm Ansprüche angemeldet hätten, hätten mittlerweile schon ihr Geld bekommen. Das habe er in Betroffenen-Foren gelesen. Bei ihm sei dagegen die Online-Erstattungsampel von blau auf grün, dann auf rot und jetzt wieder auf blau gewechselt. Offenbar werde jetzt wieder neu geprüft.

Das zuständige Bundesministerium erklärt uns dazu: „Das Anmeldeverfahren muss neben den berechtigten Interessen der Pauschalreisenden auch die Interessen der übrigen Steuerzahler im Blick haben. Vor dem Hintergrund des verantwortlichen Umgangs mit Steuergeld wird zudem jede Anmeldung sorgfältig geprüft. Häufig fehlen von den Anmeldenden zu erbringende Nachweise, einzelne Unterschriften oder Seiten von Nachweisdokumenten.“ Bei etwa 60 Prozent der Anmeldungen sei das der Fall. Solche Zwischenschritte könnten die abschließende Prüfung und Auszahlung verzögern, erklärt Dr. Leber.

Doch bis zum Weihnachtsfest die Erstattung noch zu bekommen, dieses Glück werden vermutlich nur wenige der noch Wartenden haben - vielleicht ja aber Familie Scholz, denn deren Erstattungs-Ampel zeigt mittlerweile zumindest „grün“, allerdings steht auch dabei: „in Prüfung“. Zusätzlich hat die Familie nun auch die Mitteilung erhalten, ihre Ausgleichszahlung werde in den nächsten Tagen veranlasst und sollte kurz darauf auf ihrem Konto gut geschrieben sein